Aufführung News 2013 Theater

Das Medienprofil verblüfft seine Zuschauer mit – »Nichts«!

»Nichts bedeutet irgendetwas.« Mit diesem tragenden Satz eröffnete das Medienprofil am Goethe-Gymnasium die diesjährige Theatersaison. Die Schüler/innen des vierten Semesters ließen sich für ihre neuste Produktion vom international kontrovers diskutierten Roman »Nichts: Was im Leben wichtig ist« von Janne Teller inspirieren. Der Roman beschäftigt sich mit einem Gedankenexperiment: Was passiert, wenn plötzlich einer aussteigt aus »diesem sinnlose Spiel, dass ihr Leben nennt«, aus dem ewigen Streben nach Glück und Erfolg und einfach mit dem Nichtstun beginnt?

In Tellers Roman und in dem am 9. und 10. April am Goethe-Gymnasium gezeigten Theaterstück ist es ein Junge namens Pierre-Anthon, der diesen ungewöhnlichen Gedanken in eine gewöhnliche Schulklasse trägt. Seine Klassenkameraden lassen sich von diesen Thesen so verunsichern, dass sie ihren eigenen Lebenssinn zu verlieren scheinen. Sie beginnen reihum persönliche Dinge zu opfern, die ihnen wichtig erscheinen, um Pierre-Anthon vom Gegenteil zu überzeugen und einen Weg in ihr altes Leben zurückzufinden. Das geht so weit, dass eine Schülerin, eindrucksvoll verkörpert durch Sandra Litke, sogar ihre Jungfräulichkeit und eine weitere (Arzu Demir) ihren Finger opfern will. Als Pierre-Anthon sich von all dem unbeeindruckt zeigt, beschließt die Schulklasse schließlich einstimmig diesen ebenfalls zu opfern…

Der dystopische Charakter des Vorlage bewog die Schüler/innen – Schauspieler, Regisseure, Dramaturgen, Bühnen- und Kostümbildner in Personalunion – unter der Leitung ihrer Theaterlehrerin Tanja Senftleben dazu, sich formal von konventionellen Schultheater-Inszenierungen zu distanzieren und sich dramaturgisch am Modell des epischen Theaters mit seinen Verfremdungseffekten zu orientieren.

In einem arbeitsintensiven Prozess ist schließlich »Nichts – darf das Stück nicht heißen« entstanden – eine ganz persönliche und sehr mutige Version des Romans mit dem die 14 Schüler/innen an zwei Abenden ihr Publikum begeisterten. Sie überzeugten vor allem mit der Einbindung des Publikums in die Thematik des Stücks. So wurden zu Beginn der Aufführung Teile des Publikums auf die Bühne geholt und sich auf einem Ja/Nein-Feld zu Fragen wie »Würden Sie den Mörder ihres Kindes umbringen?« positionieren mussten. Aber auch mutige Improvisationselemente, eine konzentrierten Ensembleleistung, Gitarre (Daniel Schwarzer) und Gesang, aufwendig produzierten Videosequenzen sorgten für einen ideen- und variantenreichen und immer spannenden Theaterabend.

Pierre-Anthon (Daniel Neidenberger) war wie alle anderen Ensemble-Mitglieder auf der Bühne  zwar stets präsent, reagierte aber lediglich mit Missachtung auf die Machenschaften seiner Mitschüler. Seine textintensiven Passage wurden im Sinne des Figurensplittings von Hanifi Nacarli als Prediger seiner nihilistischen Thesen oder von Özlem Arslan, die sich über den Wert der Jungfräulichkeit echauffierte, übernommen. Selbst seinen Abschiedsbrief dufte Pierre-Anthon nicht selbst verlesen, Franziska Elsner bettelt an seiner statt überzeugend um sein Leben.

Abgerundet wurde die Aufführung schließlich mit einem Publikumsgespräch, in dem sich die Zuschauer mit dem Kurs über ästhetische Entscheidungen, aber auch über ihre unterschiedlichen Welt- und Lebensanschauungen intensiv und noch lange nach dem Verlassen des Theaterstudios austauschten.